Die Jugendfeuerwehrmänner und neuerdings auch -frauen waren in der Vergangenheit stehts bemüht sich aktiv am Gemeindeleben zu beteiligen. Ob im Nettetal Nistkästen gezimmert und regelmäßig gepflegt wurden, der Mauersegler (damals Vogel des Jahres) eine Unterkunft am Rathaus gebaut bekam, der „Tag des Anstoßes“ mitbestritten wurde oder beim Martinsumzug in Lechtingen jährlich mitmarschiert wird – stets waren die Jugendlichen engagiert bei der Sache und konnten Stolz auf das Geleistete zurückblicken. Zum vorweihnachtlichen Jahresende 2010 hatte der Gemeindejugendfeuerwehrwart Ansgar Osterbrink jedoch etwas neues mit seiner Truppe vor.
So lud er Jürgen Fluhr in das Feuerwehrhaus Rulle ein, welcher zuvor der Jugendfeuerwehr im Sommer bei einer kleinen Hochzeitsüberraschung für einen ihrer sechs Jugendwarte half. Die Überraschung war eine originale Rikscha aus Indien, wobei Herr Fluhr als erster Vorsitzender der Indienhilfe Wallenhorst e.V. natürlich gerne behilflich war. Aus dieser gelungenen Zusammenarbeit entwickelte sich bei den Jugendlichen viel Interesse an dem Thema Indien und viele Fragen türmten sich auf. Da es natürlich unmöglich war, all diese Fragen augenblicklich zu aller Zufriedenheit zu beantworten, wurde Jürgen Fluhr gebeten den Jungfeuerwehrmännern bzw. -frauen einen Vortrag über seine Arbeit rund um Indien zu halten und den Wissensdurst zu stillen.
Am Montag, den 13. Dezember 2010 war es dann soweit. Pünktlich zum Jugendfeuerwehrdienst lauschten alle aufmerksam den Berichten von diversen Indienreisen, sowie den wichtigsten Fakten über Indien, welche durch Bilder und Vergleiche mit Deutschland die Größe Indiens selbst und seiner Probleme vermittelten. Ansgar Osterbrink staunte nicht schlecht, als er bemerkte, dass seine Truppe plötzlich ganz brav dasitzen und einfach nur zuhören konnte. Die Erzählungen vom Leid auf der Straße und der hilf- und hoffnungslosen Lage vieler Straßenkinder schockierten alle Anwesenden. Besonderes Unverständnis rief eine mitgebrachte Nahrungsration hervor, als den Jugendlichen klar wurde, dass es sich bei der Hand voll Reis und dem Pfützenwasser nicht um eine Mahlzeit handelte, sondern um eine Tagesration. So konnte man bei der näheren Betrachtung und einer Geruchsprobe des Wassers nach und nach ein leises „Igitt“ nach dem anderen durch den Raum schallen hören.
Weiter ging es dann mit dem Thema „Indien in der Zukunft“, wobei alle schnell begriffen, welche große Stellung Indien in der Zukunft zu teil werden soll. Die Wirtschaft ist am boomen, der Lebensstandard steigt stetig, wobei die Armen die Leittragenden sind, da nur die in Indien sehr teure Bildung einen Weg nach oben bereiten kann. Zudem ist es laut der hinduistischen Glaubenslehre mit ihrem Kastensystem so, dass die guten Menschen im nächsten Leben eine Kaste (= Gesellschaftsschicht) aufsteigen und die schlechten eine hinunter steigen. Im Umkehrschluss glaubt ein jeder Hinduist also fest daran, dass die Armen Menschen der unteren Kasten ihren Stellenwert und ihr Leid vollkommen zu Recht verdienen. Mit Hilfe oder Anteilnahme kann somit niemand hoffen.
Der Vortrag schilderte zudem die Situation der indischen Straßenkinder in und um Mumbai, sowie Leprakranker mit ihrer Familie, welche von der Gesellschaft ausgeschlossen werden und in eigenen Lepra-„Dörfern“ leben müssen. Weiter wurde schnell klar, wofür sich die Indienhilfe aus Wallenhorst stark macht. Zusammen mit einem indischen Priester namens „Father Franklin“ und seiner Bruderschaft wird den Armen und Ausgegrenzten geholfen und versucht, ein festes Dach über den Köpfen aller zu errichten. So hat es Father Franklin mit den deutschen Spenden u.a. geschafft mehrere Schulen zu bauen, zu vergrößern und zu unterhalten. Dort ist er mit seiner Bruderschaft und wenigen Lehrern für über 2500 Kinder verantwortlich und bietet große Zukunftschancen: Der Bildungsweg bei dem katholischem Priester reicht vom indischen Abitur bis hin zum Studium aller nur erdenklichen Richtungen für die Besten seiner Schüler. Dabei lässt er es sich natürlich nicht nehmen, die allerbesten Zöglinge zu Theologen auszubilden. Die, sich an den Vortrag anschließende Fragestunde mit Jürgen Fluhr begann zwar mit schüchternem Schweigen, nahm mit der ersten Frage jedoch schnell an Fahrt auf und entpuppte sich schlussendlich als so interessant und vor allem rasant, dass sich die Zeit abermals viel zu schnell dem Ende zuneigte. Überrascht von der Fülle an Fragen bot sich für Herrn Fluhr zum Abschluss nur noch ein Ausweg: Er schlug vor, dass er in Januar 2011 wiederkommen werde. Das aber nicht alleine – Father Franklin sei Im Januar eingeladen, nach Deutschland zu reisen. Dieses Angebot ließen sich die Jugendfeuerwehrleute natürlich nicht entgehen und verabredeten sich am 10. Januar 2011 mit Father Franklin im Feuerwehrhaus.
Ein Weihnachtsfest voller Geschenke später, riefen sich die Jugendlichen am Montag dem 10. Januar 2011 die Situation der indischen Straßenkinder wieder in den Sinn. Sie erwarteten voller Spannung Jürgen Fluhr und Father Franklin, der gerade zwei Tage zuvor aus Indien angeflogen kam. Kaum war das Laptop des Herrn Fluhr an die Multimediaschnittstelle in Schulungsraum des Ruller Feuerwehrhauses angeschlossen, wurde es zum zweiten Mal plötzlich ganz still im Raum. Auf diesem Abend sprach der Vorsitzende der Indienhilfe von seiner letzten Indienreise und gewährte uns Einblicke in sein digitales Fotoalbum. Zu Foto rief Herr Fluhr dessen eigene teilweise sehr traurige, aber hoffungsvolle Geschichte ab. Dabei wurde vor allem eins klar: Obwohl diese Menschen kaum etwas besitzen, versuchten sie den deutschen Besuchern einen bestmöglichen Ausenthalt zu bereiten, wobei sie alle materiellen Defizite mit einer Flut aus echter Gastfreundschaft, guter Laune, gutem Willen und viel Tanz und Gesang wettmachten.
Im Anschluss an diese kurzen Reiseanekdoten, startete eine weitere Fragerunde mit Herrn Fluhr und unserem Spezialgast, Father Franklin. Letzterem machte das Verstehen der Fragen im Übrigen nur wenig Mühe, da Deutsch neben English, Französisch, Portugiesisch, Italienisch, natürlich Hindi und 3 weiteren Sprachen zu den Sprachen gehört, die Father Franklin fließend spricht und versteht. Einige weitere könne er nach eigenen Angaben „nicht ganz flüssig“. Als die Jugendlichen von diesen Fähigkeiten hörten, waren viele schwer beeindruckt. Andere fragten sich spontan, was eigentlich „Hindi“ sei. Father Franklin erklärte schnell das Wesentliche über die indische Landessprache und schrieb einen kurzen Willkommensgruß auf.